Am 13. Juli 2023 hat google Bard für die Nutzung in Deutschland freigegeben. ChatGPT war insbesondere wenn es über Microsofts Bing genutzt wird schon einige Wochen früher verfügbar, aber irgendwie habe ich den Dreh, das mal auszuprobieren, nie bekommen. Ich habe einige "Textberichte" über ChatGPT und Bard gelesen, wir mir also ungefähr im Klaren, wie ich es bedienen musste und was ich erwarten konte.
Bard ist ein klassischer "Chat Bot" - d.h. ich frage den Computer etwas und er antwortet - wobei es durchaus gewollt ist, dass der Nutzer (in diesem Fall also ich) den Eindruck gewinnen soll mit einem echten Menschen und nicht mit einem Computer zu kommunizieren. Ein Teil der Testberichte ließ vermuten, dass es nicht mehr lange dauert, bis ChatGPT und Bard Werbetexter und Journalisten arbeitslos machen.
Als Philatelist ist die erste Frage, die ich einem solchen Programm stelle, natürlich briefmarkenbezogen - um dem Programm Chancen zu geben, fragt man natürlich nach etwas Bekanntem. Also fragte ich: "schreib mir einen 500 worte text zur blauen mauritius". Die Antwort war überraschend brauchbar und ernüchternd - aber: bis die Computer einen Fachjournalisten ersetzen können vergeht noch einiges an Zeit ...
Um Bard nutzen zu können benötigt man einen Google Account - gibt es kostenlos und benötigt man z.B. auch, wenn man seine Emails über GoogleMail empfangen will. Auf meine Frage antwortete Bard mit diesem Text
Die Blaue Mauritius ist eine Briefmarke aus dem Jahr 1847, die auf Mauritius, einer Insel im Indischen Ozean, gedruckt wurde. Sie ist eine der seltensten und teuersten Briefmarken der Welt.
Die Blaue Mauritius wurde am 21. September 1847 herausgegeben. Sie war die erste Briefmarke auf Mauritius und eine der ersten Briefmarken der Welt. Die Marke wurde in zwei Werten gedruckt: 1 Penny und 2 Pence.
Die Blaue Mauritius ist eine farbige Briefmarke. Sie zeigt ein Segelschiff mit drei Masten vor der Kulisse einer Bergkette. Das Schiff ist die Britannia, das Flaggschiff der britischen Royal Navy. Die Bergkette ist der Berg Pieter Both.
Der Text auf der Briefmarke lautet: POST OFFICE / MAURITIUS / ONE PENNY. Der Text ist in Englisch und Französisch geschrieben.
Die Blaue Mauritius wurde nur in einer kleinen Auflage von 2.000 Exemplaren gedruckt. Die meisten der Briefmarken wurden sofort verwendet und daher bald wieder vernichtet. Nur wenige Briefmarken sind heute noch erhalten.
Die Blaue Mauritius ist eine sehr begehrte Briefmarke. Sie wurde schon oft versteigert und hat dabei Rekordpreise erzielt. Die teuerste Blaue Mauritius wurde 1993 für 10,3 Millionen Schweizer Franken versteigert.
Die Blaue Mauritius ist ein Symbol für die Geschichte und Kultur von Mauritius. Sie ist auch ein Symbol für die Seltenheit und den Wert von Briefmarken.
und der Möglichkeit zwei alternative Vorschläge abzusehen - darüber hinaus kann man die Vorschläge auch neu generieren (und sich vorlesen lassen). Abgesehen davon, dass dieser Text des 1. Versuchs nur 212 Worte enthält, also aus formalen Gründen in der Schule nur für eine vier oder fünf gereicht hätte. Die beiden anderen (ursprüngliche) Vorschläge sind länger - und die Bitte "schreibe mir bitte einen faktenbasierten Text über die Blaue Mauritius mit ca 500 Worten Länge" erzeugt einen Text mit 501 Worten, der durch Zwischenüberschriften gegliedert ist. Höflichkeit zahlt sich auch bei einem Computerprogramm aus ...
Die Berichterstattung über Bard und ChattGPT hob hervor, dass die Programme dazu neigen zu "halluzinieren", wenn sie keine Fakten kennen, gehen wir also kurz mit einem Faktencheck an diesen Text heran: die ersten beiden Absätze sind OK, der Sprachstil der Aufgabe angemessen, obwohl viele Philatelisten deutlich längere Sätze schrieben. Und anders als Alexa, die auf die Frage nach der Blauen Mauritus mit einer Reisebeschriebung der Insel antwortet hat Bard die Intention nach einer philatelistischen Beschreibung anscheinend verstanden.
Die Bildbeschreibung der Marke in Absatz 3 ist natürlich wenig schmeichelhaft - aber vermutlich ist Queen Victory auch von manchem ihrer Zeitgenossen als "alte Fregate" bezeichnet worden. Der vierte Absatz ist erstaunlich präzise, bezieht sich lediglich auf die orange "One Penny" und nicht auf die blaue "Two Pence" - aber er arbeitet die Besonderheit - die Worte "POST OFFICE" heraus.
Bei der Auflage irrt Bard - Wikipedia (und meine Erinnerung an andere Beschreibungen z.B. im Begleitbuch zum "Treffen der Königinnen" sprechen von 500 Stück. Beim nächsten Absatz ärgere ich mich, nicht besser über die Blaue Mauritius und ihre Auktionsgeschichte Bescheid zu wissen - ich habe keine Ahnung, von welcher Auktion Bard hier redet - eine kurze Google-Suche brachte mir keine Idee. Bard berichtet also ZWEI falsche Fakten (die Auflage und die Bildbeschreibung) und erwähnt ein Auktionsergebnis, was sich auf die Schnelle nicht verifizieren lässt.
Immerhin hat Bard der Ausgabedatum richtig - und auch die "allgemeine Wertung" der Marke als ein Symbol für die Seltenheit und den Wert von Briefmarken ist nicht von der Hand zu weisen. Interessanterweise haben die längeren Varianten keine weiteren "Fakten" sondern wiederholen sich. Auch im Text, der explizit faktenbasiert sein sollte, erwähnt die Auflage von 2000 und das Segelschiff.
Andererseits hat man Bard wohl durchaus ein wenig Humor mitgegeben: auf die Frage "schreibe mir bitte einen faktenfreien Text über die Blaue Mauritius mit ca 500 Worten Länge" kommt eine durchaus versöhnliche Antwort:
Es tut mir leid, aber ich kann keinen faktenfreien Text über die Blaue Mauritius schreiben. Das wäre eine Fälschung.