Österreich
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Renner, Karl, 1870/Unter - Tannowitz bis 1950/Wien; 1907—18 Abgeordneter zum österreichischen Reichsrat, 1908—18 Abgeordneter zum niederösterreichischen Landtag, 1918—20 Staatskanzler der Ersten Republik, 1920 - 34 Abgeordneter zum Nationalrat, 1945 Staatskanzler (Bundeskanzler) der Zweiten Republik, 1945—50 Bundespräsident. Aus ärmlichen Verhältnissen stammend (er war das 18. und letzte Kind seiner Eltern), schaffte R. unter schwersten Bedingungen den sozialen Aufstieg zum Studium, schließlich zum Parlamentsbibliothekar. Die harte Jugend war prägend für sein soziales Engagement und ließ ihn den Zugang zum Sozialismus gefühlsbetonter über Lassalle und nicht über ein Studium des Marxismus finden. Das sollte stets seine theoretische Position am rechten Parteiflügel und seine Einschätzung des Staates kennzeichnen. Um die Jahrhundertwende publizierte R., noch unter Pseudonym, Werke zur Nationalitätenfrage. Sein ausgeprägtes Personalitätsprinzip, das die Nation am ausschließlich kulturellen Ordnungselement begriff, konnte zwar in das Brünner Nationalitätenprogramm von 1899 nicht einfließen, bestimmte aber die Diskussion des Folgejahrzehnts und wurde ursprünglich sogar von Bauer geteilt. In den Marx - Studien von M. Adler und Hilferding publizierte R. sein heute noch populäres Buch Die soziale Funktion der Rechtsinstitute. 1907 schlug R. endgültig die politische Laufbahn ein und wurde Abgeordneter. Im jungen Austromarxismus begann er, sich als geistiger Widerpart zu Bauer zu profilieren, und zeichnete sich durch juristische Analysen aus, die das jeweils Machbare als Rahmen akzeptierten. So blieb R. auch bis 1918 ein Befürworter des Bestandes der Monarchie und arbeitete mit deren Regierung zusammen, um sich nach Kriegsende aber sofort an die Spitze des jungen Nachfolgestaates zu stellen. Er vertrat Österreich in Saint - Germain, akzeptierte das Anschlußverbot, ohne von dem Gedanken an den Anschluß zu lassen. Nach 1920 war R. Parlamentarier, beeinflußte das Verfassungswerk H. Kelsens und versuchte stets eine Politik des Ausgleichs. Sein Haupttätigkeitsgebiet wurde das Genossenschaftswesen, wo er sich als Gründer der Arbeiterbank Verdienste erwarb. 1931 wurde R. zum ersten Präsidenten des Nationalrates gewählt und ermöglichte am 4. März 1933 mit seinem Rücktritt, der mit der Partei abgesprochen war, unfreiwillig die Entwicklung zur Ausschaltung des Parlaments. Im Februar 1934 wurde er verhaftet.
1938 ließ sich R. von den Nationalsozialisten zu einer öffentlichen Befürwortung des Anschlusses mißbrauchen, blieb aber stets auf Distanz zu den neuen Machthabern. 1945 stellte er sich erneut an die Spitze des Staates. Es gelang ihm, das Mißtrauen zu zerstreuen, das in ihm eine willfährige Marionette der Sowjets sehen wollte. Sein Beitrag zur Einheit Österreichs war entscheidend. Im Dezember 1945 wählte ihn die Bundesversammlung in das Amt des Bundespräsidenten, das er bis zu seinem Tode ausübte. R., der Gründer beider Republiken, gilt heute als wichtigster Staatsmann Österreichs im 20. Jh.
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