Georg Lukács

Lukács, György (Georg), 1885/Budapest bis 1971/Budapest, aus großbürgerlichen Verhältnissen, promoviert in Jura/Nationalökonomie Philosophie, Zentralfigur der jungen, radikalen bürgerlichen Intelligenz Ungarns vor 1914, wendet sich nach schöngeistigen Essays und preisgekrönter Dramengeschichte intensiv dem Studium des deutschen Idealismus, G. W. F. Hegels, vor allem Marx zu. Lange Bildungsreisen, Begegnungen mit Hauptvertretern der Geisteswissenschaften (G. Simmel, K. Mannheim, A. Hauser, E. Lask, F. Gundolf, H. Rikkert, Bloch, M. Weber), Auseinandersetzung mit dem Anarcho - Syndikalismus Anarchismus) und Rosa Luxemburg sowie der gescheiterte Versuch einer kunstbegründenden Ästhetik sind Stationen auf seinem »Weg zu Marx«, der politisch zur lebenslangen Mitgliedschaft in der Kommunistischen Partei Ungarns (Ungarische Sozialistische Arbeiterpartei) führt (ab 1918). In der Ungarischen Räterepublik Volkskommissar für Unterrichtswesen, nach deren Sturz illegale Tätigkeit und Emigration nach Wien, wo die seinen theoretischen Ruf begründenden Abhandlungen zur Theorie der Revolution (Geschichte und Klassenbewußtsein, 1923) entstehen, die in der Kommunistischen Internationale (KI) von Lenin, und G.J. Sinowjew als Linksradikalismus kritisiert werden. L. versucht eine auf G. W. F. Hegel gestützte theoretische Konstruktion des Proletariats als revolutionärem Subjekt der Geschichte. In den Blum - Thesen (1928) entwickelt L. analytisch, aber empirisch belegt für Ungarn, das Konzept einer »demokratischen Diktatur« von Bauern und Arbeitern (bis heute für Entwicklungs - und Schwellenländer beachtlich), das in der KI als Rechtsabweichung disqualifiziert wird und L. zur 1. Selbstkritik und Rückzug von der Parteiarbeit bringt.
1930 erste Emigration nach Moskau, Arbeit (unter D. Rjasanow) an der Marx/Engels Gesamtausgabe (MEGA), 1931—33 literaturorganisatorische (Schutzverband deutscher Schriftstel1er, Bund proletarisch - revolutionärer Schriftstel1er) und literaturtheoretische Aktivitäten (Internationale Literatur, Linkskurve) auf der Linie der KI gegen die Sozialdemokratie. 1933—44 zweite Emigration in Moskau, Mitglied der Akademie der Wissenschaften der UdSSR, Entwicklung des Konzepts des »Großen Realismus«, Der junge Hegel (wird revolutionär - demokratisch eingeordnet), Die Zerstörung der Vernunft und zugehörige Vorarbeiten, die erkennen lassen, wie die Sozialfaschismusthese von der Volksfrontthese abgelöst wird und wie taktischer Antifaschismus sich zu einem (heute wieder wichtigen) grundsätzlichen Antiirrationalismus in der Tradition europäischer Aufklärung wandelt. In der »Expressionismusdebatte« (1938 gegen Bloch, B. Brecht, A. Seghers) wird der nur kulturrevolutionäre Expressionismus als Verfallserscheinung des Kapitalismus gedeutet, dem der Realismus als Ausdruck des historisch gewachsenen Volkslebens positiv gegenübergestellt wird: Ab 1945 in Budapest (Professor, Parlamentsmitglied) ist L. ständiger Parteikritik ausgesetzt, übt zum 2. Mal Selbstkritik, arbeitet an seiner marxistischen Ästhetik (1963, DDR 1981), tritt 1956 mit scharfer Kritik an Stalin hervor, wird Mitglied des ZK der ungarischen Kommunisten, Volksbildungsminister der Nagy - Regierung; nach dem Scheitern des ungarischen Aufstands nach Rumänien deportiert, als Bannerträger bürgerlich - demokratisch - antirevolutionärer Kräfte eingestuft, in den »sozialistischen Ländern« lange Zeit nicht veröffentlicht. Ab 1961 beginnt in Italien und der Bundesrepublik (hier über die Studentenbewegung vermittelt) die Rezeption der älteren politischen Theorie, zögernd auch die Aufnahme des ab 1962 konzipierten Entwurfs sozialistischer Demokratie in einer langen mit dem Kapitalismus koexistentiellen Übergangsphase zum Kommunismus. Bis zu seinem Tode arbeitet L. in der Ontologie des gesellschaftlichen Seins (1984/85) an einer generellen Neubestimmung sozialistischer Gesellschaft auf der Grundlage eines schöpferischen Marxismus.


in: Thomas Meyer, Karl - Heinz Klär, Susanne Miller, Klaus Novy, Heinz Timmermann: Lexikon des Sozialismus

Nicht Philatelistische Aufsätze in Anthologien und Zeitschriften

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Jürgen Meier : Die Abkehr von der Manipulation ist ein Gerichtetsein auf die Wirklichkeit - Georg Lukács
in: UTOPIE kreativ - Diskussion sozialistischer Alternativen. Heft 131 September 2001 Förderverein Konkrete Utopien / Rosa Luxemburg Stiftung Berlin 2001

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Stephan Grigat : Was bleibt von Georg Lukács, "Geschichte und Klassenbewußtsein"
in: Streifzüge 2/1999 Wien 1999

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Autor u.a. folgender Aufsätze