Ferdinand Lassalle

Bundesrepublik Deutschland

Ferdinand Lassalle

1964 Ferdinand Lassalle

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Lassalle, Ferdinand, 1825/Breslau—1864/Genf, stammte aus großbürgerlicher Familie. Der frühreife, talentierte und vielseitig begabte L. entschied sich zur Karriere eines freien Schriftstellers und Forschers nach dem Vorbild K. L. Börnes und H. Heines. Als jüdischer Außenseiter fühlte er sich zu dem Emanzipationsstreben der Französischen Revolution hingezogen, das er mit Hegelscher Philosophie untermauerte. Anders als die Junghegelianer und Marx und aktivierte er wohl das Gedankensystem, nahm in ihm aber keine strukturellen Änderungen vor. Er war zeitlebens strikter Hegelianer, der alle seine revolutionären Theorien auf diesen zurückführte, ohne auf Denkelemente wie die der französischen Sozialisten und der englischen klassischen Nationalökonomie zu verzichten, soweit sie sich Hegel unterordnen ließen. Die gemeinsame Hegelsche Grundlage ermöglichte es ihm auch, Gedankenelemente von Marx zu übernehmen; sie gibt seinem Denken eine gewisse Affinität zu Marx, die die Marx - wie die L. - Rezeption in der deutschen Arbeiterbewegung sehr erleichtert haben.
Als Anwalt der Enterbten nahm sich der junge L. erst des Dichters H. Heine und dann der Gräfin Sophie v. Hatzfeldt an, deren Verteidigung gegen ihren grausamen Mann er bis zu einem günstigen Erfolg im Jahre 1854 aufopferungsvoll führte. Auf diesen Erfolg gründete er auch eine gesicherte Existenz für sich selbst. Die Gräfin Hatzfeldt war L. nicht nur Freundin und Gefährtin, sondern auch eine effektive Parteigängerin aus eigener Überzeugung. Sie hat auch viel zur Verbreitung von L.s Schriften beigetragen.
Während der Revolution von 1848/49 machten L. und seine Anhänger Düsseldorf zu einer ebenbürtigen Rivalin Kölns als revolutionärem Zentrum der Partei der Neuen Rheinischen Zeitung, deren Haupt Marx war. Während der zehnjährigen Reaktionszeit wagte es nur L., dauernden Kontakt mit Marx aufrechtzuerhalten und die Erneuerung der Revolution in Deutschland selbst vorzubereiten. Zu dieser Erneuerung gehörte nicht nur die Heranziehung junger Kader in Düsseldorf und im Bergischen Land, auf die er bei der Gründung der Arbeiterbewegung im Jahre 1863/64 zurückgreifen konnte, sondern ebenso die Ausarbeitung theoretischer Schriften, aus denen seine Agitation mühelos schöpfen konnte. Zu diesen Bemühungen gehörte auch der langjährige Versuch, in Berlin Fuß zu fassen, in dem er das Zentrum der kommenden Ereignisse frühzeitig erkannte.
In der Neuen Ära eines liberalisierenden preußischen Regimes seit 1858 versuchte er, die Opposition im Deutschen Nationalverein und in der Deutschen Fortschrittspartei in Preußen zu revolutionärer Haltung anzuregen. In seinem Drama Franz von Sickingen (1858) versuchte er, die revolutionären Folgerungen aus der deutschen nationalen Frage zu ziehen, ebenso in seinen verschiedenen literarischen Forschungen und Aufsätzen. In seinen Reden über Verfassungsfragen war er bestrebt, die praktischen Folgerungen aus seinen theoretischen Grundsätzen für das politische Verhalten im Verfassungskonflikt zu ziehen, praktische Überlegungen, die auch heute noch jede parlamentarische Opposition gegen ein Regime des Unrechts befruchten können. Als dann der Nationalverein es unternahm, die werdende Arbeiterbewegung als Resonanzboden für seine politischen Zwecke einzuspannen, beschloß L. gegen Jahresende 1862, der Arbeiterbewegung ein soziales wie ein politisches Aktionsprogramm anzubieten, das sie als soziale Demokraten kenntlich machen würde. Das Leipziger Zentralkomitee, das im Auftrag des Nationalvereins einen Arbeiterkongreß vorbereiten sollte, machte er mit der Idee des Arbeiterstandes bekannt (einen Vortrag, den er vor Berliner Arbeitern gehalten hatte und als Arbeiterprogramm bekannt wurde) und überzeugte damit eine große Mehrheit. So bereitete er auf Einladung der Leipziger Arbeiter das Offene Antwortschreiben vor. das als Programmschrift für einen Allgemeinen deutschen Arbeiterverein (ADAV) gedacht war und als solche das politische Moment des gleichen, direkten und geheimen Wahlrechts mit dem sozialen Moment der Inbesitznahme des Betriebsgewinns durch die Arbeiter in der Assoziation ersann, indem die Arbeiter durch den Staatskredit instand gesetzt wirden, kooperativ zu schaffen. Diese sozial motivierte Demokratie überzeugte die fachlichen Handarbeiter sofort, da sie daran glaubten, das sie wohl imstande sein würden, eine Assoziationsfabrik erfolgreich zu leiten. Das Programm wurde in verschiedenen Arbeiterversammlungen angenommen, und der ADAV unter der Präsidentschaft von L. trat am 23. Mai 1863 in Leipzig ins Leben. Trotz der zündenden Idee wuchs ADAV nur schwer, weil die Arbeitgeber und die Polizei alles aufboten, die neuartige Partei aufkommen zu lassen. Deshalb hatte der ADAV beim Tode L.s bei optimistischer Einschätzung etwas mehr als 4000 Mitglieder, aber die Idee des »vollen Arbeitsertrages« hatte noch auf Jahre hinaus einen zündenden Einfluß auf die Zielvorstellungen der Arbeiter.
L. hat den ADAV dem Nationalverein nachgebildet, nur daß er anstelle einer oligarchischen Spitze und einer Diktatur des Ausschusses die Präsidialdiktatur setzte. Diese Präsidialdiktatur im ADAV stark umstritten, wurde von einer Minderheit bekämpft, aber von S. v. Hatzfeldt aufrechterhalten und hat sich schließlich als Kanpfmittel unter der Präsidentschaft des J. B. von Schweitzer durchgesetzt.
L.s Propagandareden, wie die in Frankfurt (Arbeiterlesebuch), die Ansprache an die Arbeiter Berlins, die sogenannte Heerschaurede oder die Rede zu Ronsdorf, wurden alle gedruckt und verbreitet, ebenso wie die Gerichtsreden, die sich mehr an den Leser als an das Gericht wendeten. Besonders bedeutend aber ist seine Darlegung einer Nationalökonomie für Arbeiter, die diese von der bürgerlichen Entbehrungs - und Sparökonomie befreien wollte (Herr Bastiat - Schulze von Delitzsch, der ökonomische Julian, oder Capital und Arbeit). Aufgrund dieser Darlegung konnten sich der ADAV und die Gegenbewegung des Verbandes Deutscher Arbeitervereine als Gegner des Kapitalismus erkennen und sich vereinen (1875).
Ehe moderne Untersuchung der Vertriebs - und Verlagsgeschichte der Schriften L.s beweist, daß er während des ganzen 19. Jh. in der deutschen Arbeiterbewegung nicht seinesgleichen in der Rezeptionsgeschichte sozialistischer Ideen hat. Auch den Anfängen anderer Arbeiterbewegungen anderen Ländern steht zu Beginn immer L. Sein Ende im Duell um eine Dame hat keine Beziehung zu dem Arbeiterführer L., auch wenn verschiedentlich versucht wurde, den Duelltod entweder als Kronzeugen oder als Racheakt gegen den (verhaßten) Arbeiterführer darzustellen.


in: Thomas Meyer, Karl - Heinz Klär, Susanne Miller, Klaus Novy, Heinz Timmermann: Lexikon des Sozialismus

Nicht-Philatelistische Literatur

Ferdinand Lassalle: Reden und Schriften

Röderberg

Köln 1987

# Ferdinand Lassalle

Philatelistische Aufsätze in Anthologien und Zeitschriften

Nicht Philatelistische Aufsätze in Anthologien und Zeitschriften

Article
Wulf D. Hund : Der ‚jüdische Nigger‘ Lassalle. Marginalie zu einem Brief von Karl Marx
in: Sozial.Geschichte Online: Zeitschrift für historische Analyse des 20. und 21. Jahrhunderts. Heft 24/2018 Duisburg/Essen 2018

# Karl Marx # Ferdinand Lassalle

Article
A. Berthold : Die Wissenschaft, die Umsturzvorlage und Ferdinand Lassalle
in: Der sozialistische Akademiker 15. Februar 1895 No. 4 Berlin 1895

# Ferdinand Lassalle

Ferdinand Lassalle

Autor u.a. folgender Bücher

Ferdinand Lassalle: Reden und Schriften

Röderberg

Köln 1987

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