Deutsches Reich: staats - und verfassungsrechtliche Bezeichnung für den deutschen Staat von 1871 bis 1945; proklamiert am 18.1.1871 im Spiegelsaal des Schlosses zu Versailles. Das D. R. war (bis 1918) ein Bundesstaat mit dem König von Preußen als Deutschem Kaiser. Die herrschenden Klassen im D. R. waren das Junkertum und die Großbourgeoisie, deren ökonomische und politische Interessen sich immer mehr verflochten und die um die Jahrhundertwende mit der Entwicklung zum Imperialismus politisch immer enger zu einer herrschenden Klasse zusammenwuchsen, in der die Monopolbourgeoisie immer mehr die Führung übernahm. 1875 schrieb K. Marx, daß der preußisch - deutsche Staat nichts anderes ist »als ein mit parlamentarischen Formen verbrämter, mit feudalem Beisatz vermischter und zugleich schon von der Bourgeoisie beeinflußter, bürokratisch gezimmerter, polizeilich gehüteter Militärdespotismus«. (MEW, 19, S. 29.) Für das deutsche Volk war es ein Verhängnis, daß die nationalstaatliche Einigung unter Führung des preußischen Militärstaates erfolgte und daß die reaktionärsten und aggressivsten Kräfte ihre Herrschaft auf ganz Deutschland ausdehnen konnten. Die Monopolbourgeoisie und das Junkertum führten das deutsche Volk in die nationalen Katastrophen des ersten und des zweiten Weltkrieges. Das Ende des zweiten Weltkrieges war auch gleichzeitig das Ende des D. R., das seit seiner Entstehung den Keim des Unterganges in sich trug. Es zerbrach 1945 an den maßlosen Welteroberungsplänen der über Deutschland herrschenden Monopolbourgeoisie. Nach 1945 entstanden auf dem Boden des ehemaligen D. R. zwei souveräne deutsche Staaten mit völlig entgegengesetzten Gesellschaftsordnungen, die sozialistische DDR und die monopolkapitalistische BRD.
in: Kleines Politisches Wörterbuch